Legalisierung in Deutschland: Macht der Bundestag Nägel mit Köpfen?

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Nach langem Warten hat es der Gesetzesuntwurf fürs CanG, das – mutmasslich – zukünftige Cannabisgesetz in Deutschland, in den Bundestag geschafft. Mit der Vorlage sollen die ersten Schritte zu einem legalen Cannabismarkt gegangen werden – im besten Fall bereits Anfang 2024.

Was steht nun im Cannabisgesetz?

Das Orakeln über die Details der Legalisierung in Deutschland war in den letzten Monaten eine vielerorts praktizierte Beschäftigung. Bereits im April wurde ein Eckpunktepapier veröffentlicht, in welchem die Pläne konkretisiert wurden. Deshalb war es auch keine Überraschung, worüber der Bundestag nun diskutieren würde. Mit dem aktuellen Gesetzesentwurf soll die sogeannte „erste Säule“ der Legalisierung umgesetzt werden. Die zweite Säule des gewerblichen Cannabis-Anbaus wurde in die Zukunft verschoben.

Im Rahmen der ersten Säule soll der private Eigenanbau zu Hause und der gemeinschaftliche nichtgewerbliche Anbau in Cannabis Social Clubs legalisiert werden. Die Vorlage wird oft als „Legalisierung Light“ bezeichnet, da es immer noch viele ziemlich restriktive Regeln gibt. Erwachsene dürfen zukünftig bis zu 25g Cannabis zum Eigenkonsum besitzen. Der private Anbau ist für drei Pflanzen zugelassen, und dabei müssen Kinder und Jugendliche ferngehalten werden. Auch bei den Social Clubs (im Gesetzesentwurf Anbauvereinigungen genannt) gibt es viele Regeln einzuhalten. Es sind höchstens 500 Mitglieder zugelassen, die alle in Deutschland wohnen müssen. Pro Mitglied dürfen maximal 25g pro Tag und 50g pro Monat herausgegeben werden. Bei jungen Menschen zwischen 18 und 21 Jahren sind es nur 30g pro Monat, die zudem nicht mehr als 10% THC enthalten dürfen. Hinzu kommt ein Werbe- und Sponsoringverbot.

Schutzzonen in ganz Deutschland


Eine weitere Regel hat in der Cannabis-Community besonders viel Erstaunen ausgelöst: es soll eine Schutzzone von 200 Metern um Anbauvereinigungen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätze und öffentlich zugängliche Sportstätten geben, in welcher der Konsum von Cannabis im freien nicht erlaubt ist. Auch in Fussgängerzonen soll zwischen 7 und 20 Uhr der Konsum von Cannabis nicht erlaubt sein.

In Deutschland kursieren Karten, die aufzeigen, wie der Grossteil der Stadt- und Gemeindegebiete in einer Schutzzone liegen würde.
Schutzzonenverteilung in Berlin nach dem geltenden CanG-Entwurf: in allen roten Flächen ist der öffentliche Konsum von Cannabis verboten. Hinzu kommt ein Verbot vor den bisher nicht existierenden Anbauvereinigungen und tagsüber in den Fussgängerzonen. (bubatzkarte.kowelenz.social)

Was mit einem Kinder- und Jugendschutz begründet wird, birgt in der Praxis einige Probleme: die aufgeführten Orte gibt es in Deutschland in solch einer Dichte, dass – insbesondere in Städten – der Konsum von Cannabis fast nur in privaten Wohnungen oder grossen Parks möglich sein wird.

Was meint der Bundestag?

Die Bundestagsdebatte war zwar nur kurz – aber ziemlich intensiv. Während Karl Lauterbach seinen Vorschlag mit Überzeugung vertrat, waren viele andere weniger begeistert. Von konservativer Seite (AfD und Union) gab es einen fundamentalen Widerstand. Beide Parteien versuchen weiterhin, die Legalisierung an sich zu stoppen. Beeindruckend, wie diese Politiker*innen die heutige Situation mit Millionen von Cannabis-Konsument*innen und einem riesigen Schwarzmarkt ignorieren können, und stattdessen weiterhin über ihr Konzept der „Einstiegsdroge“ schwafeln.

Spannender scheint da die Kritik von Fachpersonen und der linken Fraktionen. Dort wird darauf hingewiesen, dass die Abstandsregelungen und viele weitere genau definierte Details der Legalisierung Light in der Praxis kaum umsetzbar sind. Mit diesen Zugeständnissen an konservative Kräfte droht die Vorlage zu einem Gesetz werden, das entweder nie wirklich durchgesetzt wird, oder aber wahnsinnig viel Ressourcen zur Kontrolle beansprucht. Damit wäre dann auch einer der grossen Vorteile einer Legalisierung – die Einsparung von Aufwand und Kosten in der Strafverfolgung – zu grossen Teilen wieder aufgehoben.

Legalisierung in Deutschland nur für Nichtlenker*innen

Ein weiterer Schwachpunkt der aktuellen Legalisierungspläne: Bisher sind keine Änderungen im Strassenverkehrsgesetz vorgesehen. Da aber in Deutschland fürs Autofahren ein THC-Grenzwert von einem Nanogramm pro Milliliter Blut gilt, machen sich Cannabis-Konsumierende Autofahrer*innen fast sicher strafbar. Auch dann, wenn sie sich eigentlich nüchtern ans Steuer setzen. In einem unserer letzten Blogbeiträge haben wir das Thema in der Schweiz beleuchtet. Um es kurz zu fassen: auch der Schweizer Grenzwert von 1.5ng/mL ist klar zu tief.

Die Bundesregierung in Deutschland hat nun immerhin gesagt, dass sie eine Arbeitsgruppe einsetzen, die im Frühjahr 2024 erste Resultate vorlegen soll. Angesichts einer Legalisierung ab Januar 2024 ist das jedoch für Autofahrer*innen eine ziemlich unbefriedigende Perspektive…

Was heisst das nun für die Legalisierung?

Deutschland bewegt sich weiterhin Schritt für Schritt in Richtung Legalisierung. Die ewiggestrigen konservativen Fraktionen im Bundestag dürften mit ihrer Fundamentalopposition chancenlos sein. Und die linken Fraktionen werden zwar vermutlich noch einiges versuchen, um die Legalisierungspläne etwas mutiger zu gestalten – im Zweifelsfall ist ihnen die aktuelle Vorlage aber ziemlich sicher doch immer noch lieber als gar keine Legalisierung.
Alle die sich nun auf eine „grüne Revolution“ gefreut haben, dürften wohl vom Resultat eher enttäuscht sein. Es ist zwar ein riesiger Schritt, dass der Besitz und der Eigenanbau von Cannabis wohl bald nicht mehr strafbar sein wird. Insgesamt sind die aktuellen Pläne aber immer noch nahe an einer restriktiven Politik und weit entfernt von einem legalen Cannabismarkt, welcher den Schwarzmarkt effektiv verdrängen könnte.