Cannabis im Strassenverkehr

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Auto im Strassenverkehr

Unterwegs im Strassenverkehr nach dem Cannabis-Konsum – was gilt da eigentlich? Und wie funktioniert das mit CBD-Hanf? Anders als beim Alkohol gehören bei Cannabis die für den Strassenverkehr geltenden Regeln in der Schweiz bisher eher nicht zum Allgemeinwissen. Es gibt zwar bekannte Grundsätze („Keine Drogen am Steuer“). Diese sind aber mässig hilfreich wenn es um konkrete Alltagssituationen geht.

Das wichtigste in Kürze
  • Autofahren mit THC im Blut (>1.5ng/mL) ist stark illegal.
  • Der vereinzelte Konsum von CBD-Hanf führt zu THC-Werten von weniger als 1.5ng/mL und ist daher rechtlich kein Problem. Trotzdem kann selbst wenig CBD-Hanf zu einem positiven Drogenschnelltest führen und ein mühsames Verfahren auslösen. Bei regelmässigem Konsum von CBD-Hanf ist es gut möglich, dass der THC-Gehalt im Blut über die 1.5ng/mL steigt.Eine THC-Konzentration von 3-4.1 ng/mL beeinflusst die Fahrfähigkeit in etwa gleich stark wie 0,5‰ Alkohol.
  • Das Unfallrisiko ist besonders in der ersten Stunde nach dem Konsum von THC-haltigem Cannabis grösser.
  • Der Mischkonsum von THC und Alkohol verschlechtert die Fahrfähigkeit besonders stark.

Der aktuelle THC-Grenzwert für den Strassenverkehr

Im Gesetz ist ein THC-Grenzwert von 1.5 ng/mL (1.5 Nanogramm THC pro Milliliter Blut) im Strassenverkehr festgeschrieben. Damit ist alles klar, oder? Natürlich nicht. Um die ganze Situation zu verstehen, müssen wir etwas ausholen.

Der Grenzwert von 1.5ng/mL ist ein „analytischer Grenzwert“. Es spielt also keine Rolle, ob die Fahrfähigkeit tatsächlich beeinträchtigt war oder nicht. Zwar wird auch beim Alkohol einfach die Promillenzahl gemessen und nicht getestet, ob die Person deswegen gefährlich Auto fährt. Die beiden Grenzwerte sind aber grundsätzlich verschieden: 0.5‰ Alkohol im Blut gelten als Wert, ab dem die Fahrfähigkeit deutlich abnimmt. Diese Grenze wurde mit zahlreichen wissenschaftlichen Studien festgelegt. Die THC-Grenze hingegen ist relativ willkürlich festgelegt. Sie ist hoch genug, dass auf die Messinstrumente Verlass ist – aber so tief, dass es de facto einer Nulltoleranz gleichkommt. Das heisst: Wenn eine Person THC konsumiert hat, wird dieser Wert immer überschritten. Und er bleibt auch noch dann überschritten, wenn die tatsächliche Wirkung im Körper bereits aufgehört hat.

Weshalb gibt es die Nulltoleranz?

Für die unterschiedlichen Regeln bei Alkohol und Cannabis gibt es verschiedene Begründungen. Eine Argumentation stützt sich darauf, dass der Cannabiskonsum sowieso illegal sei – und daher eine Nulltoleranz angemessen ist. Da es mit dem Betäubungsmittelgesetz schon eine Möglichkeit gibt, Cannabis-Konsument*innen zu bestrafen, ist diese Argumentation ziemlich absurd.

Eine andere Argumentationslinie basiert darauf, dass es nicht möglich sei, einen fairen Grenzwert festzulegen. Denn insbesondere bei Cannabis sind die Unterschiede in der Wirkungsweise riesig. Welche Wirkstoffe waren in der konsumierten Sorte vorhanden? War es eine Sorte mit viel oder wenig THC? Konsumiert die Person regelmässig Cannabis oder war es ein spontaner Konsum? Wurde nur THC oder auch Alkohol konsumiert? Wie schnell baut der Körper dieser spezifischen Person THC ab? Diese und noch viele weitere Faktoren beeinflussen den Einfluss von THC auf die Fahrfähigkeit.

Nicht zuletzt gilt es zu bedenken: anders als beim Alkohol ist es in einem illegalen Cannabismarkt für Konsument*innen schlicht nicht möglich, zu wissen, wie hoch der THC-Gehalt der konsumierten Sorte ist. Und da Cannabis auf verschiedene Arten konsumiert werden kann, lassen sich keine generellen „Richtwerte“ festlegen, wie das bei einem Glas Wein oder einer Flasche Bier gemacht wird. Konsument*innen müssten also beinahe ihr Blut analysieren lassen, um zu wissen, ob sie jetzt zu viel THC in ihrem Blut haben.

Wieso die Nulltoleranz nicht funktioniert

In der Praxis bewährt sich diese Nulltoleranz überhaupt nicht. Menschen die keine Gefahr für den Strassenverkehr darstellen sind illegal unterwegs. Sei es, weil sie regelmässig Cannabis konsumieren und daher eigentlich konstant mit einer THC-Konzentration von mehr als 1.5ng/mL leben oder weil ein Drogenschnelltest der Polizei nicht zwischen CBD-Hanf und THC-haltigem Cannabis unterscheiden konnte.

Insbesondere bei einem regelmässigen Cannabiskonsum bleibt THC auch dann noch nachweisbar, wenn die Wirkung schon lange vorbei ist. Wenn nur selten Cannabis konsumiert wird, sollten 6h in der Regel ausreichen, damit der THC-Wert im Blut wieder unter 1.5ng/mL fällt. Bei einem regelmässigen Konsum würde der Wert jedoch erst nach einer mehrtägigen Pause wieder unter 1.5 fallen. Selbst wenn zwischen dem Joint und der Autofahrt eine Nacht Schlaf oder noch mehr Zeit liegt, ist das Autofahren für regelmässig Konsumierende also illegal.

Wie bereits erwähnt bietet die Nulltoleranz nicht nur im Bezug auf zur Zeit illegales Cannabis Probleme, sondern auch beim Konsum von CBD-Hanf. In der Schweiz darf CBD-Hanf bis zu 1% THC enthalten. Das reicht zwar in der Regelnicht für einen THC-Gehalt von 1.5ng/mL im Blut. Es kann aber passieren, dass ein Drogen-Schnelltest der Polizei positiv ausfällt. Ab diesem Punkt beginnt ein aufwändiges Verfahren mit Blut- & Urinproben, eventuell einem provisorischen Führerscheinentzug und, wie ein Fall aus der Praxis zeigt, sogar mit hohen Verfahrenskosten.

Lösungen für die Regulierung von THC im Strassenverkehr

Die geltenden Regeln für Cannabis im Strassenverkehr sind bereits jetzt unbefriedigend. Für eine Gesellschaft mit einem regulierten Cannabismarkt sind sie noch viel weniger tauglich. Mit den geltenden Regeln müssten man sich entweder für Cannabis oder fürs Autofahren entscheiden – eine Kombination wäre schlicht nicht möglich. Spätestens im Rahmen einer Cannabis-Legalisierung egal welcher Form muss sich also etwas ändern. Anhaltspunkte geben aktuelle Erkentnisse zum tatsächlichen Zusammenhang zwischen THC-Konzentration im Blut und der Fahrfähigkeit. Auch ein Blick in andere Länder kann helfen.

Aktuelles Wissen über THC und Fahrfähigkeit

Eine vom BAG in Auftrag gegebene Studie hat die Thematik THC im Strassenverkehr untersucht. Für dieTHC-Konzentration im Blut kamen sie zu folgenden Ergebnissen: Bei 1-2.5ng/mL gibt es erste Beeinträchtigungen. Erst bei 3-4,1ng/mL sind die Einschränkungen von Koordination und Reaktion mit 0.5‰ Alkohol vergleichbar. Tatsächlich in mehr Unfälle verwickelt sind Cannabiskonsumierende mit 5ng/mL oder mehr.
THC hat also tatsächlich einen nicht unbedeutenden Einfluss auf die Fahrfähigkeit. Jedoch ist die Wirkung – wie auch beim Alkohol – von der Dosis abhängig.
Ein weiteres aufschlussreiches Resultat der Studie: In der ersten Stunde waren die Konsument*innen häufiger an Unfällen beteiligt. Nach 2 bis 4 Stunden nimmt das Risiko wieder deutlich ab.

Zwar verschlechtert auch ein zu hoher THC-Gehalt die Reaktionsfähigkeit und die Koordination am Steuer. Im Gegensatz zu Alkohol fördert aber Cannabis die Risikobereitschaft nicht – ein ziemlich bedeutender Unterschied für die Strassensicherheit…

Was aber für alle Cannabis-Konsument*innen zu beachten ist: Ein Mischkonsum von Cannabis und Alkohol verschlechtert die Fahrfähigkeit massiv. Auch wenn ein Bier allein wie auch ein einzelner Joint noch kein all zu grosses Risiko darstellt, macht beides zusammen das Autofahren zu einer sehr gefährlichen Sache.

Gesetzgebung in anderen Staaten

Europäische Übersichtskarte der THC-Grenzwerte im Strassenverkehr.
Europäische Grenzwerte für THC im Blut

Alleine in Europa gibt es viele verschiedene Varianten, wie mit THC im Strassenverkehr umgegangen wird. Schweden, Spanien und Slowenien haben eine harte Nulltoleranz, die noch weiter geht als die Regelung in der Schweiz. Dort sind die Werte so tief, dass vermutlich bereits beim Konsum von in der Schweiz legalem CBD-Hanf Vorsicht geboten ist.

In Deutschland, Frankreich, Belgien und einigen weiteren Ländern wird ein ähnliches System wie in der Schweiz umgesetzt. Es gibt zwar einen kleinen Toleranzbereich. Dieser hat aber keinen direkten Zusammenhang mit der erwiesenen Fahrunfähigkeit, sondern entspricht dem, was zweifelsfrei gemessen werden kann.
Grossbritannien, Portugal, Polen und Tschechien haben die Grenzwerte mit 2 oder 3 ng/mL dort angesetzt, wo der Einfluss auf die Fahrfähigkeit tatsächlich gegeben ist.

Etwas spezieller sind die Regeln in Norwegen und in den Niederlanden. In Norwegen unterscheiden sich die verhängten Strafen je nach THC-Konzentration im Blut. In Niederlanden wird zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Mischkonsum von Cannabis und Alkohol unterschieden, wobei der Mischkonsum stärker bestraft wird.

Und Achtung: Nur weil es in vielen Ländern (Italien, Österreich, Baltikum, …) keine offiziellen Grenzwerte gibt, bedeutet das nicht, dass es auch keine Strafen gibt. In der Regel werden dort die Strafen einfach übers Betäubungsmittelgesetz begründet.

Wie geht’s in der Schweiz weiter?

Wie die Schweizer Politik das Thema Cannabis im Strassenverkehr in Zukunft lösen will ist noch unklar. Die bereits erwähnte Studie wurde im Rahmen der Pilotprojekte in Auftrag gegeben. Es wurde also zumindest eingesehen, dass die aktuelle Lösung nicht taugt. In der Studie werden drei Szenarien für die Zukunft beschrieben. Entweder stellt sich die Politik auf Stur und der aktuelle Grenzwert wird beibehalten. Wenn der Grenzwert verändert werden soll, wird er sehr wahrscheinlich wie in anderen Ländern auf 3 ng/mL angehoben. Damit wäre ein Pendant zu den 0.5‰ geschaffen. Es ist aber auch denkbar, dass sich die Schweiz von Norwegen inspirieren lässt und nicht nur einen Grenzwert definiert, sondern eine Abstufung mit unterschiedlich harten Strafen einführt. Auch die Niederlande mit eigenen Regeln für den Mischkonsum von Alkohol und Cannabis könnten als Inspiration dienen.

Bis sich tatsächlich etwas verändert wird es aber noch eine Weile dauern. Vermutlich wird das Thema dann angegangen, wenn auch das Cannabisgesetz, welches aus der PI Siegenthaler entstehen soll, im Bundeshaus verhandelt wird.