Cannabis und Psychose: Was stimmt?

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In Diskussionen zum Thema Cannabis und insbesondere Cannabis-Legalisierung wird eine Frage immer wieder gestellt: Führt Cannabis zu Psychose-Erkrankungen? Die Antworten fallen oft unklar, unterschiedlich oder sogar widersprüchlich aus. Wir probieren, etwas Klarheit zu verschaffen. Absolute Wahrheiten gibt es aber auch hier nicht zu lesen, da diese nach heutigem Stand kaum existieren.

Die bekannten Zusammenhänge

Ein Zusammenhang zwischen Psychosen und Cannabis wurde in verschiedenen Studien nachgewiesen.[1] In untersuchten Patient*innengruppen mit einer schizophrenen Psychose war der Cannabiskonsum verbreiteter als in der Gesamtgesellschaft und umgekehrt erkrankten Cannabis-Konsument*innen häufiger und früher an einer psychotischen Störung. Diesen Zusammenhang an sich in Abrede zu stellen wäre angesichts der verfügbaren Daten absurd. Inwiefern die Cannabispflanze deswegen verteufelt werden soll, ist jedoch eine andere Frage – mehr dazu später…

Besonderes Risiko einer Psychose-Erkrankung für junge Menschen

Der Prozess der Hirnreifung dauert beim Menschen bis in die frühen 20er-Jahre. Somit leben junge Erwachsene noch eine lange Zeit mit einem nicht fertig ausgebildeten Gehirn. Wenn in dieser Zeit Substanzen wie Alkohol oder Cannabis konsumiert werden, scheint das auch einen Einfluss auf die Entwicklung des Gehirns zu haben. So gibt es zum Beispiel einen Zusammenhang zwischen regelmässigen Cannabiskonsum von Jugendlichen und der Dicke der Hirnrinde. (Besonders betroffen sind diejenigen Bereiche des Gehirns, die eine hohe Zahl von CB1-Rezeptoren aufweisen.)

Im Bezug auf Psychosen lässt sich feststellen, dass insbesondere der Konsum in jungen Jahren ein entscheidender Faktor für die Häufigkeit und den Zeitpunkt einer Psychose darstellt.[2] Zwar trägt der Cannabiskonsum wohl kaum die alleinige Schuld daran, aber ein Faktor unter anderen ist er definitiv.

Einfluss des THC-Gehalts auf das Psychose-Risiko

In den Studien konnten unterdessen auch einige Faktoren benannt werden, die den Konsum besonders riskant machen. Neben der Häufigkeit oder der konsumierten Menge spielt die Potenz, das heisst der THC-Gehalt, der Cannabispflanze eine wichtige Rolle. Ein höherer THC-Gehalt scheint die Wahrscheinlichkeit einer Psychose zu erhöhen. Aus dieser Perspektive ist der in den letzten Jahrzehnten massiv angestiegene THC-Gehalt zumindest kritisch zu betrachten. Im Jahr 1993 hatte in den USA beschlagnahmtes Cannabis im Durchschnitt 3.4% THC. 2008 lag dieser Wert bei 8.8% und mit 17.7% im Jahr 2017 hat sich der Wert in nur 10 Jahren nochmals verdoppelt.[3] Gleichzeitig haben solche hochpotente Cannabisblüten oft einen sehr tiefen CBD-Gehalt. Wieso das relevant ist, zeigen wir im nächsten Abschnitt auf.

CBD für tieferes Psychose-Risiko

Auch CBD ist im Zusammenhang mit Psychosen ein wichtiger Wirkstoff. Das faszinierende daran: Cannabis scheint genau andersrum zu wirken. So wurde z.B. in einer Studie aufgezeigt, dass deutlich weniger Psychosen auftreten, wenn die Proband*innen zuvor CBD einnnahmen. Zur Zeit wird CBD sogar als potenzielles Medikament zur Behandlung von psychotischen Episoden bei schizophrenen Menschen getestet – und einige Studien deuten darauf hin, dass die Erfolgsaussichten real sind.

Was bleibt unklar?

Sagen alle diese Studien nun also, dass Cannabis Psychosen verursacht? So einfach ist es auch wieder nicht. Zwar gibt es unbestritten einen Zusammenhang, und gewisse Konsummuster verstärken das Problem. Gleichzeitig konnte aber noch nicht wirklich nachgewiesen werden, dass THC an sich in einem völlig gesunden Menschen eine psychotische Störung verursacht. Oft weisen Betroffene bereits ein genetisch veranlagtes Risiko auf – und der Cannabiskonsum fungiert dann zum Teil als konkreter Auslöser.[4] Weiter stellt sich die Frage, ob es nicht auch zu einem gewissen Grad andersrum läuft: Menschen mit einer psychotischen Veranlagung könnten einen erhöhten Hang zum Cannabiskonsum aufweisen, z.B. im Sinne einer Selbstmedikation.

Weiter kommt dazu, dass es ganz viele Risikofaktoren, die den Ausbruch einer Psychose begünstigen: Depressionen, Schlafstörungen, mit einem männlichen Körper leben, Migrationsgeschichte oder das Leben in urbanen Gebieten – um einige davon zu nennen. Was bei dieser Liste auffällt: Viele dieser Faktoren erhöhen auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person mit Cannabis in Kontakt kommt. Natürlich versuchen Wissenschaftler*innen diese Faktoren aus ihren Studien herauszurechnen – perfekt ist das jedoch kaum je möglich.

Was bedeutet das für die Legalisierung

Alles in allem scheint es also durchaus plausibel, dass Cannabiskonsum unter gewissen Umständen ein erhebliches Risiko mit sich bringt. Haben also die Legalisierungs-Gegner recht, und wir sollten diese gefährliche Substanz unbedingt weiter verbieten? Ihr ahnt es: natürlich nicht. Erstens leben wir in einer Gesellschaft, die in ganz vielen Bereichen diverse Risiken toleriert. Zweitens wird auch ohne Legalisierung viel Cannabis konumiert, oftmals unter riskanteren Umständen.

Risiko gehört zu unserer Gesellschaft

Selbst wenn Cannabis Psychosen auslöst und somit das Leben einiger betroffenen Menschen stark erschwert, ist die aktuelle Diskussion ziemlich absurd. Natürlich ist es wichtig, über die Risiken einer Substanz bescheid zu wissen. Jedoch sind die Nebenwirkungen des Cannabis-Konsums verglichen mit denen vieler anderer Substanzen wie z.B. Alkohol, Tabak oder Zucker ziemlich harmlos. Bei all diesen Substanzen wissen wir, dass sie der menschlichen Gesundheit bei übermässigem Konsum erheblichen Schaden zufügen – und trotzdem sind sie legal und weit verbreitet. Es gibt viele Menschen, die durch einen problematischen Alkoholkonsum erhebliche psychische Schäden erleiden, und es gibt auch hier Studien die sagen, dass insbesondere das Gehirn von Jugendlichen stark unter übermässigem Alkoholkonsum leidet. Trotzdem können wir in jedem Supermarkt Bier kaufen. Unsere Gesellschaft toleriert viele Risiken und überlässt den Entscheid, inwiefern sich die Menschen diesen Risiken aussetzen wollen oftmals den einzelnen Personen. Deshalb ist es zwar wichtig, dass wir möglichst viel über die Risiken von Substanzen wie Cannabis wissen – aber gleichzeitig sind diese Risiken allein noch lange kein Grund für eine extrem aufwändige und kaum erfolgreiche Verbotspolitik.

Transparenz & Prävention ist wichtig

In der aktuellen Situation kaufen viele Menschen regelmässig Cannabis. Da dies illegal ist, passiert das im Versteckten (Stress ist schädlich!) und ohne jegliche Qualitäts-Standards. Bei Blüten vom Schwarzmarkt hast du keine Chance, zu wissen, wie hoch der THC-Gehalt dieser Cannabispflanze jetzt tatsächlich ist. Und den Dealer interessiert es in der Regel kaum, ob jetzt die Kundschaft noch jung und daher stärker gefährdet ist.

Demgegenüber könnten in einem legalen, regulierten Markt klare Transparenz- und Qualitätsanforderungen durchgesetzt werden. So könnten die Konsument*innen entscheiden, was für einen THC- und CBD-Gehalt sie konsumieren wollen. Zusätzlich könnten die Steuereinnahmen für eine wirkungsvolle Präventionsarbeit für junge Menschen angewendet werden – statt dass das Geld in die Taschen krimineller Organisationen fliesst. Mit solchen Möglichkeiten wäre das Risiko einer Psychose-Erkrankung zwar nicht verschwunden. Es wäre aber ein einschätz- und kontrollierbares Risiko – das es noch weiter zu erforschen gilt.