MEDCAN – Medical Cannabis Verein Schweiz

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Cannabis hat auch in der Schweiz eine lange Tradition als Heilpflanze. Mit dem Verbot aus dem Jahr 1951 ging auch diese Anwendung verloren. Nein, verloren ging sie nicht. Sie wurde kriminalisiert und der Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit entzogen – denn angewendet wurde und wird Medizinalhanf weiterhin. Der Verein MEDCAN hat sich zum Ziel gesetzt, dieser Kriminalisierung der Patient*innen ein Ende zu setzen.

Wir wollen euch hier ein detailliertes Bild der aktuellen Situation bezüglich Medizinalhanf zeichnen. Dazu ist uns Franziska Quadri, ehrenamtliche Präsidentin des Vereins MEDCAN, mit ihrer Expertise zu Hilfe gekommen. Franziska ist selber seit einem Gleitschirmunfall im Jahr 2009 querschnittgelähmt und hat sehr bald herausgefunden, dass Cannabis für sie die beste Lösung ist, um ihre Lebensqualität wieder zu verbessern.

Medizinisches Cannabis in der Schweiz – wo stehen wir?

Letzten Sommer wurde ein lange gehegter Traum vieler Patient*innen war: medizinisches Cannabis ist seit August 2022 legal und nicht mehr bewilligungspflichtig. Die Ärzte können von sich aus Cannabis verschreiben. Oder könnten – denn bisher drücken sich viele Ärzte davor, sich mit dem Thema Medizinalhanf auseinanderzusetzen. Franziska erzählte mir eine beispielhafte Episode aus ihrer eigenen Geschichte: „Ich war selbst kürzlich bei meiner Neurologin, die genau weiss, wie ich mich selber mit Cannabis behandle. Trotzdem schlug mir ein völliges Desinteresse entgegen: Ich müsste nun der Neurologin sagen, was sie in mein Rezept schreiben soll. Die Verantwortung wird ganz dreist mir abgeschoben, statt dass sich die Ärzte endlich mit der Thematik auseinandersetzen.“

Es bleibt uns nichts anderes übrig, als dass wir eigenmächtig die Ärzte und Apothekerinnen ausbilden.

Franziska Quadri, Cannabis-Patientin und Präsidentin des Vereins MEDCAN
Franziska Quadri

Geschichten wie diejenig von Franziska zeigen, dass mit der Gesetzesänderung von letztem Jahr die Probleme noch lange nicht gelöst sind. „Fast ein Jahr nach der Gesetzesänderung haben die Patient*innen faktisch noch immer keinen Zugang zu Medizinal-Cannabis. Es gibt kaum Ärzte, die Cannabis verschreiben – und wenn, dann zahlen es die Krankenkassen trotzdem nicht, und die Therapie wird beinahe unbezahlbar.“, erzählt Franziska. Durch diese mangelhafte Umsetzung der Legalisierung droht eine Zweiklassengesellschaft zu entstehen: die reichen Patient*innen kaufen sich Rezepte und legale Medizin, während die weniger wohlhabenden kriminalisiert werden.

Die politische Arbeit von MEDCAN

Diese Bestandesaufnahme zeigt, dass mit der Legalisierung von Medizinalhanf zwar ein politischer Meilenstein erreicht wurde, das Problem aber noch lange nicht gelöst ist. So ist für den Verein MEDCAN klar, dass ihr Einsatz noch lange nötig sein wird.

Zur Zeit zielen wir – inspiriert von der Krebsliga – darauf ab, eine öffentlichkeitswirksame Organisation zu werden, die sowohl die Gesamtbevölkerung als auch Direktbetroffene über die Thematik aufklären kann. In einem ersten Schritt bedeutet das, dass wir möglichst viele der rund 100’000 Cannabis-Patient*innen, die sich bereits jetzt in Eigenregie behandeln, in unserem Verein zusammenzubringen.

Franziska Quadri

Um sich für eine effektive Umsetzung der Legalisierung einzusetzen, sind die Menschen von MEDCAN in regelmässigem Austausch mit Politiker*innen, Ärzt*innen, Apotheker*innen und wenn möglich auch mit den Krankenkassen. Dieses Engagement auf allen Ebenen scheint zur Zeit die einzige Möglichkeit zu sein. Die Politik meint, das Problem mit der Legalisierung bereits gelöst zu haben, den Ärzt*innen fehlt das Fachwissen und die Krankenkassen wollen von sich aus natürlich keine teuren Cannabis-Medizinalprodukte zahlen. Die Verantwortung wird wie eine heisse Kartoffel hin- und hergereicht und die Leidtragenden sind schlussendlich die Patient*innen, die nicht auf legalem Weg an ihre Medikamente kommen.

Helfen die Pilotversuche?

Mit den Pilotversuchen kriegen Tausende Menschen legalen Zugang zu Cannabis, und das zu Preisen, die sich bewusst an denjenigen des Schwarzmarktes orientieren. Das kommt den Vorstellung eines legalen Zugangs zu Cannabis-Blüten deutlich näher als die völlig unzureichend umgesetzte Legalisierung von Medizinalhanf. Was löst das bei Patient*innen aus, die weiterhin für einen bezahlbaren Zugang zu Cannabis-Blüten kämpfen müssen? „Das macht mich ehrlich gesagt stinkesauer“, kommt die Antwort von Franziska wie aus der Pistole geschossen. Natürlich ist den Studienteilnehmenden der legale Zugang zu Cannabis durchaus zu gönnen. Das Problem ist aber nicht nur, dass nicht alle Patient*innen einen der Plätze in den Pilotversuchen ergattern können: Sie sind gar explizit von der Teilnahme ausgeschlossen!

MEDCAN-Patiententreffs

Als Patient*innenorganisation kümmert sich MEDCAN nicht nur um politische Arbeit. In den Städten Zürich und Bern finden regelmässige „Patiententreffs“ statt. Die Idee dieser Treffen ist, dass sich Patient*innen mit dem Verein MEDCAN und mit gleichgesinnten Menschen auszutauschen. Erfahrungswerte werden geteilt, man steht sich zur Seite und versucht gemeinsam, einen einen Weg zur legalen Medizin zu finden. Kurz: die Betroffenen nehmen das Heft einmal mehr selber in die Hand, um mit ihren Problemen zumindest nicht alleine dazustehen.

In der Pandemie haben die Patiententreffs erstmals online stattgefunden. Ergänzend zu den Treffen vor Ort gibt es seitdem auch die Möglichkeit, von zu Hause aus an einem Treff teilzunehmen. „Das wollen wir sicher beibehalten um möglichst viele Menschen zu erreichen“, meint Franziska.

Jetzt braucht’s Solidarität!

Angesteckt von ihrem Engagement wollte ich von Franziska wissen, wie wir die Arbeit von MEDCAN am besten unterstützen können. „Das wichtigste ist, dass ihr Patient*innen zu uns schickt, damit wir sie informieren können – und sie sich in unserem Verein engagieren können.“ Es gibt aber selbstverständlich für Menschen wie mich, die nicht auf Medizinalhanf angewiesen sind, Unterstützungsmöglichkeiten. Informieren wir uns und sprechen wir über das Thema, geben wir den Direktbetroffenen wie Franziska, Simòn, Roger, Sabi und allen anderen, die ihre Geschichte an die Öffentlichkeit tragen wollen, eine Plattform. Ihre Expertise und ihr Engagement haben eine unglaubliche Kraft, die Veränderung zum Guten voranzutreiben.
Was auch hilft, dem Verein MEDCAN mehr Gehör zu verschaffen, sind Spenden. Bisher lastet die Arbeit im Verein auf den Schultern einiger weniger freiwillig Engagierter. Um die Arbeit zu professionalisieren und möglichst viele Patient*innen zu vereinen, wäre beispielsweise ein bezahltes Sekretariat ein riesiger Gewinn. Und um das 10-Jahres-Jubiläum im 2024 mit tollen Anlässen möglichst gross zu machen, sind finanzielle Mittel notwendig.

„Je mehr Ressourcen wir haben, desto schneller erreichen wir unsere Ziele. Und vielleicht sogar eine allgemeine Legalisierung von Cannabis, inklusive Eigenanbau?“

Franziska Quadri

Auch wichtig: wenn sich Aussenstehende mit dem Verein MEDCAN und den Cannabis-Patient*innen solidarisieren, kommt das nicht nur den Betroffenen zu Gute. Die Erfahrungen aus dem Ausland zeigen auch, dass die medizinische Anwendung die perfekte Wegbereiterin für die dringend nötige allgemeine Legalisierung ist. Die Missstände im Medizinalbereich sind so offensichtlich, dass viele die Augen nicht einfach verschliessen können. Gleichzeitig führt uns die aktuelle Situation vor Augen, dass die Legalisierung von Medizinalhanf in einer Sackgasse gelandet ist. Der einfachste Weg aus dieser Misere? Die Legalisierung für Alle. „Erst wenn der Eigenanbau legal ist, kriegen wirklich alle betroffenen Menschen einen Zugang zu den benötigten Cannabisblüten“, meint Franziska.