Keine Einziehung von geringfügigen Mengen (<10 Gramm) Cannabis für Eigenkonsum

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Vom Bundesgericht wurde bereits mehrfach bestätigt, dass der Besitz von weniger als 10 Gramm Cannabis keine Straftat darstellt.[1] Unklar war bisher, ob das Cannabis gerichtlich eingezogen werden kann. Diese Frage wurde vom Bundesgericht am 19. Juni 2023 geklärt.

Beitrag der IG Hanf, Juli 2023 (Als Mitglied der IG Hanf gibt die Herba di Berna hier eine aktuelle Information des Verbands wieder)

Was ist passiert?

Das Grenzwachtkorps hatte 2019 am Bahnhof St. Margrethen einen Mann kontrolliert welcher 2.7 Gramm Marihuana und 0.6 Gramm Haschisch auf sich trug. Das Kreisgericht Rheintal sprach ihn vom Vorwurf eines Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG) frei. Es ordnete aber die Einziehung und die Vernichtung des beschlagnahmten Cannabis an. Das Kantonsgericht St. Gallen bestätigte den Entscheid. Dagegen setzte sich der Mann vor Bundesgericht zur Wehr und hat Recht erhalten. Wer eine geringfügige Menge Cannabis für den eigenen Konsum vorbereitet, ist gemäss Artikel 19b Absatz 1 Betäubungsmittelgesetz nicht strafbar. Zu diesen straflosen Vorbereitungshandlungen gehören gemäss Rechtsprechung etwa der Erwerb und der Besitz. Diese Vorbereitungshandlungen zum Konsum sind legal, weshalb die betroffene Person damit keine Anlasstat begeht. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats führte in ihrem Bericht von 2011 zur Einführung des Ordnungsbussenverfahrens beim Konsum von Cannabis an, dass nur das Cannabisprodukt eingezogen werden könne, welches gerade konsumiert werde. Nicht eingezogen werden könne hingegen eine geringfügige Menge, die der Täter oder die Täterin nur bei sich trage. Diese Auffassung der Kommission hat das Bundesgericht nun im neuesten Entscheid 6B_911/2021 Urteil vom 19. Juni 2023 bestätigt.

Eine geringfügige und für den Eigenkonsum bestimmte Menge Cannabis (bis zu 10 Gramm) darf nicht von der Polizei und den Gerichten zur Vernichtung eingezogen werden. Die angeordnete DNA-Entnahme wurde als rechtswidrig eingestuft. Der Mann muss jedoch CHF 500.- Verfahrenskosten tragen und gemäss dem Urteil wurden seine Filtertips zur Vernichtung eingezogen.

Was bedeutet dieses Urteil?

Das Urteil ist ein klares Statement des Bundesgerichts gegen die unnötige Pönalisierung von Cannabiskonsumierenden. Das Bundesgericht hat sich in diesem Fall ausschliesslich technisch mit der Einziehbarkeit von geringfügigen Mengen Cannabis beschäftigt. Der unbefugte Konsum von Cannabis bleibt nach diesem Urteil weiterhin eine Straftat. Das Urteil ist ein wichtiges Mosaiksteinchen im Prozess der Entkriminalisierung von Cannabis. Es stellen sich diverse Fragen hinsichtlich der Auswirkung des Urteils.

1. Ist der Anbau und der Import von geringfügigen Mengen Cannabis mit dem Urteil legalisiert worden?

Die Vorbereitung einer geringfügigen Menge von weniger als 10 Gramm pro Woche umfasst gemäss Hug-Beeli sowohl anbauen, herstellen, auf andere Weise erzeugen, lagern, besitzen, erwerben, befördern ein-, aus- und durchführen und weitere Tatvarianten.[2] Der Anbau und der Import von geringfügigen Mengen (bis zu 10 Gramm) Cannabis ist unter diesem Aspekt nach Schweizer Recht möglicherweise als legal zu betrachten. Zu dieser Frage existiert bis heute keine Rechtsprechung.

2. Wann kann von den Staatsanwaltschaften und Gerichten ein leichter Fall des Konsums gemäss Artikel 19a Absatz 2 Betäubungsmittelgesetz von Cannabis angenommen werden, welcher für die Konsumierenden Straffreiheit bedeuten würde?

Diese Frage ist leider nach wie vor ungeklärt. Bei Erwachsenen mit moderatem und sozial unauffälligem Konsum wird eine Bestrafung des Konsums als nicht angemessen empfunden. Generell sollte der Konsum von Cannabis von der Bestrafung ausgenommen werden.

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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/fr/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://19-06-2023-6B_911-2021&lang=de&zoom=&type=show_document

https://www.bger.ch/files/live/sites/bger/files/pdf/de/6b_0911_2021_2023_07_24_T_d_07_59_04.pdf

[1] 6B_1273/2016 Urteil vom 6. September 2017.

[2] Hug-Beeli, Betäubungsmittelgesetz (BetmG), Kommentar zum Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe vom 3. Oktober 1951, 2016, Art. 19b N 41.

Autor: Tom (IG Hanf)

Über die IG Hanf
Die IG Hanf ist der Branchenverband der Schweizerischen Cannabisindustrie. Sie vertritt ihre Mitglieder gegenüber Politik, Behörden und in der Öffentlichkeit. Dabei fördert sie den Austausch und die Zusammenarbeit unter den Mitgliedern und stärkt damit die Cannabisbranche in der Schweiz.

Ihre Mission ist es, einen regulierten Cannabismarkt zu schaffen, um der Schweiz eine Vorreiterinnenrolle in der globalen Cannabisindustrie zu sichern. Die IG Hanf setzt neue Standards für ihre Mitglieder und die Branche. Allen voran mit dem Qualitätslabel Swiss Certified Cannabis, welches eine verlässliche Produkt- und Konsumentensicherheit garantiert. Die IG Hanf ist zudem Gründungsmitglied des Vereins Cannabis Consensus Schweiz, in dem Organisationen und politische Parteien gemeinsam den Weg für einen offenen und verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis ebnen.

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