Pilotversuche: Was läuft wo?

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Seit Sommer 2021 ist klar, dass in der Schweiz Pilotversuche zum legalen Konsum & Verkauf von Cannabis durchgeführt werden. Trotz dem breiten Interesse, das sich unter anderem in einem grossen Medienecho zeigt, wird unsere Geduld strapaziert. In Basel musste der für im Herbst 2022 geplante Start vom Pilotversuch „WeedCare“ nochmals verschoben werden, in Bern trat der Kanton auf die Bremse und die Stadt Zürich musste über Monate auf das BAG warten. Im 2023 ist jedoch neuer Schwung in die Sache gekommen: wo stehen wir jetzt?

Worum geht es bei den Pilotversuchen?
Die Pilotprojekte sollen dazu dienen, wissenschaftliche Erkentnisse für die Diskussion über eine allfällige Cannabis-Legalisierung zu gewinnen.
Mehr zur Geschichte der Pilotversuche findest du hier und in unserem letzten Update zu den Pilotprojekten. 
Bestimmungen für den Pilotversuch (BAG)
Bestimmungen für den Pilotversuch (BAG)

Basel hat die Nase vorn

Eigentlich sollte der Basler Pilotversuch „WeedCare“ bereits letzten Herbst starten. Im letzten Moment wurde der Start aber verschoben: In den Produkten wurden Pestizid-Verunreinigungen nachgewiesen, weshalb die Ernte nicht mehr den erforderlichen Bio-Richtlinien entsprach. Ein Bauer hatte auf dem Feld nebenan Pestizide versprüht und der Wind trug diese auch auf das Hanf-Feld.

Nach diesem unschönen Intermezzo konnten die ersten Studienteilnehmenden Ende Januar 2023 endlich ihr erstes legales THC-Cannabis kaufen. Im Sommer wird der Pilotversuch auch für die zweite Hälfte der rund 360 Teilnehmenden starten. Wann die ersten Ergebnisse der Studie veröffentlicht werden ist noch unklar, wir erwarten sie aber gespannt.

Zürich darf endlich auch loslegen

Im Vergleich zu Basel hat die Stadt Zürich ein Riesenprojekt aufgesetzt: Mehr als 2000 Teilnehmende sollen während 3½ Jahren legal Cannabis kaufen und konsumieren können. Nach langem Warten auf die Behörden wird nun auch für Zürcher*innen legales THC-Cannabis angebaut, damit der Verkauf im Sommer starten kann.

Die langen Wege der Verwaltung

Im Juni 2022 reichte die Stadt Zürich ihr Studiengesuch bei der kantonalen Ethikkommission und beim BAG ein. Während die Bewilligung der Ethikkommission bereits im August vorlag, liess das BAG auf sich warten. Das Gesuch für den Pilotversuch wurde etwa 9 Monate im Bundesamt hin- und hergereicht. Diese Verzögerung wird mit der „hohen Komplexität“ des Anliegens und der Vielzahl an eingereichten Studienkonzepten aus verschiedenen Städten und Regionen begründet. Dass die Bewilligung schlussendlich kurze Zeit nach der Veröffentlichung zahlreicher Medienartikel zum Thema erfolgte, ist wohl nicht nur dem Zufall geschuldet. Manchmal bringt der Druck der Öffentlichkeit plötzlich Tempo in die schwerfälligen Abläufe der Behörden. Eine gute Einordnung der Verzögerungen bot der Verein LegalizeIt! bereits im Dezember: „Noch kein Cannabis Social Club im 2022: Was ist passiert?“

Als am 22. März dann schlussendlich die Bewilligung eintraf, machten sich sofort alle Beteiligten ans Werk. So wollen die Produzentinnen Pure Production und Swiss Extract im Juli die ersten Blüten ernten. Der Verkauf soll dann im August starten und ab Oktober sollen auch die in der Verarbeitung aufwändigeren Hasch-Produkte zur Verfügung stehen.

Cannabis Social Club

Die Cannabis Social Clubs (CSC) sind eine erfreuliche Besonderheit des Zürcher Versuchs. In Vereinsstrukturen soll ein von den Mitgliedern getragener Verkaufs- und Treffpunkt entstehen, der sich auf den sozialen Austausch und den gemeinsamen Konsum fokussiert. In Ländern wie Spanien, Belgien, Uruguay oder den Niederlanden ist das Modell der CSC bereits weit verbreitet. Dort steht jedoch zusätzlich zum Wissenstransfer auch der kollektive Anbau des eigenen Cannabis im Zentrum der Clubs. Dies wurde den Social Clubs in der Zürcher Studie jedoch nicht erlaubt. Um möglichst aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen sollen die Produkte in allen Abgabestellen dieselben sein. Weiter sind die Behörden leider der Meinung, dass die CSC-Mitglieder nicht dazu in der Lage wären, den hohen Qualitätsansprüche der Pilotversuche zu genügen.
Der Verein LegalizeIt! betreibt mit dem „Hanfstübli“ einen der Social Clubs in Zürich. Die mehr als 30-jährige Erfahrung in der Schweizer Hanf-Welt, an der Schnittstelle zwischen Konsumentenschutz und politischem Engagement macht den Verein zum perfekten Betreiber eines CSC.

Schaufenster eines Cannabis Social Clubs in Buenos Aires.
Cannabis Social Club in Buenos Aires (kweez mcG – CC BY 2.0)

Wo gibt’s den nächsten Pilotversuch?

Neben Basel und Zürich gibt es noch einige andere Pilotversuche, die in der Planung mehr oder weniger weit fortgeschritten sind. In Bern soll der erste Pilot laut LegalizeIt! bereits im Sommer 2023 starten. Auch da ist das Studiengesuch zur Zeit beim BAG und in der Ethikkommission hängig. Für die anderen Städte ist noch sehr wenig bis nichts bekannt. Das gilt auch für unsere neue Kiffer-Hauptstadt Genf... (tatsächlich, in Genf wird mehr Cannabis konsumiert als in Amsterdam 😯)

Pilotversuch abseits der Städte

Ein geplanter Pilotversuch will sich nicht auf die Städte begrenzen: Die Bergblüten AG hat ein Gesuch für eine Studie mit 2700 Menschen aus dem Wallis und 300 Teilnehmenden aus dem Glarus eingereicht. Um dem weitläufigen Einzugsgebiet gerecht zu werden, soll der Vertrieb unter anderem über eine online-Apotheke abgewickelt werden.
Produziert werden sollen die benötigten jährlich rund 350kg Cannabis in Benken (SG) und im Tessin. Wie bei allen THC-Produktionsstätten muss der Anbau nicht nur hohen Qualitäts- sondern auch Sicherheitsansprüchen genügen. Was gäbe es lukrativeres, als ein Feld voller THC-Blüten zu plündern und im Schwarzmarkt zu verkaufen?

Für die Pilotversuche wird Outdoor-Cannabis verwendet

Auch Private wollen mitmischen

Neben den bisherigen Pilotversuchen, die allesamt in Kooperationen von Universität & Behörden entstanden sind, gibt es auch private Organisationen wie das „Swiss Cannabis Center (SCC)“ und „Pilotversuch Cannabis Schweiz (PVCS)„, die Versuche aufgleisen und Wartelisten für interessierte Konsument*innen führen. Das SCC plant für eine Durchführung in den Städten Bern, St. Gallen und Zürich, während PVCS die THC-Produkte über einen online-Shop in grösseren, noch nicht genauer definierten Versuchsgebieten anbieten will.