Teilweise Entkriminalisierung: ein Regulierungsdschungel

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Die letzten Wochen war ein neues Urteil des Bundesgerichtes in aller Munde. Das höchste Gericht entschied, dass eine straffreie Menge Cannabis (<10g und ausschliesslich für den Eigenkonsum) von der Polizei nicht beschlagnahmt werden kann. Dies ist ein weiterer Schritt in Richtung einer Entkriminalisierung von Cannabis. Eine weniger starke Kriminalisierung der Konsument*innen ist zwar grundsätzlich begrüssenswert. Gleichzeitig zeigt die Diskussion über dieses Urteil aber auch auf, weshalb eine Legalisierung von Cannabis für alle Seiten besser und viel weniger chaotisch wäre.

Der Regulierungsdschungel einer teilweisen Entkriminalisierung

Besitz einer kleinen Menge Cannabis für den Eigenkonsum (<10g) und Vorbereitungshandlungen für den Konsum sind in der Schweiz seit längerer Zeit straffrei. Lange Zeit wurde diese Gesetzeslage jedoch von Polizei und Staatsanwaltschaft ignoriert und es wurden munter Bussen verteilt. Die Argumentation der Behörden war in der Regel, dass es sich ja immer noch um eine illegale Substanz handle. Weiter sei klar, dass es früher oder später zu einem Konsum komme (bzw. der Verdacht auf einen vergangenen Konsum besteht), was wiederum illegal wäre. Erst mit einem Urteil des Bundesgerichts aus dem Jahr 2017 wurde dieser Praxis ein Riegel geschoben. Seit dann gilt definitiv (mehr oder weniger konsequent umgesetzt): Kleine Menge & Vorbereitungshandlungen sind straffrei, der Konsum selbst ist illegal.

Eine wichtige Frage liess das Bundesgericht im Urteil von 2017 jedoch offen: Was passiert mit der straffreien Menge nach einer Polizeikontrolle? Bisher wurde das Cannabis in der Regel beschlagnahmt. Zugegeben, die Frage, was mit einer straffreien Menge eines illegalen Stoffes gemacht werden soll, ist nicht ohne. Daher ist es sehr zu begrüssen, dass nun auch hier klipp und klar gesagt wurde, dass eine straffreie Menge straffrei ist und daher auch nicht beschlagnahmt werden darf.

Wer nun aber dachte, dass die Diskussion über die Befugnisse der Strafverfolgung für die nächste Zeit gegessen ist, liegt jedoch leider wieder falsch. Nur kurze Zeit nach dem Urteil wurde vielerorts mit Erstaunen festgestellt, dass sich das Urteil des Bundesgerichts nicht nur auf Cannabis sonder auch auf „harte“ Drogen beziehen lässt. Dieser Einschätzung wiedersprach die SSK (Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz) jedoch. Um einem Kantons-Chaos mit unterschiedlichen Handhabungen vorzubeugen, haben sie alle Behörden dazu angehalten, bei harten Drogen an der bisherigen Praxis festzuhalten, während bei Cannabis eindeutig dem Urteil folge geleistet werden müsse. Weiter forderte die SSK die Politik dazu auf, diese Unklarheit gesetzlich zu regeln.

Es ginge auch einfacher…

So gut es für Konsument*innen ist, wenn sie weniger stark kriminalisiert werden – die Lösung ist keine saubere. Eigentlich nicht erstaunlich: etwas gleichzeitig illegal und straffrei haben zu wollen, führt wohl unweigerlich zu Problemen. Wenn Cannabis endlich legalisiert würde, wäre der Weg frei für eine sinnvolle und angepasste Regulierung des Marktes. Statt ein ewiges Katz- und Mausspiel zwischen Polizei & Dealern zu führen, könnten die Ressourcen in eine effektive Bekämpfung der grossen Player im Schwarzmarkt und in eine sinnvolle Präventionsarbeit gesteckt werden. Um Ideen zu kriegen, wie das aussehen würde, brauchen wir uns gar nicht so weit umzuschauen. Einerseits haben wir mit Alkohol und Tabak bereits viele Erfahrungen gesammelt, wie einzelne Substanzen gezielt reguliert werden können. Weiter gibt es – sowohl aus der Schweiz als auch aus Ländern mit Legalisierungs-Erfahrung – diverse deutliche Erkentnisse, die für eine Legalisierung sprechen. Bis wir endlich so weit sind, müssen wir uns im Zweifelsfall halt mit CBD-Produkten zufrieden geben…

SCRIPT: Pilotversuch in Bern, Biel & Luzern

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Altstadtgasse in der Stadt Bern

Im Mai 2023 wurde das Cannabis-Pilotprojekt der Universität Bern vom Bundesamt für Gesundheit und den betroffenen kantonalen Ethikkomissionen bewilligt. Unter dem Namen „SCRIPT – The Safer Cannabis Research In Pharmacies randomized controlled Trial“ sollen in den Städten Bern, Biel und Luzern die gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen des regulierten Cannabisverkaufs untersucht werden. Wenn alles rund läuft, startet die Studie noch diesen Herbst.

Worum geht es bei den Pilotversuchen? Die Pilotprojekte sollen dazu dienen, wissenschaftliche Erkentnisse für die Diskussion über eine allfällige Cannabis-Legalisierung zu gewinnen. Mehr zur Geschichte der Pilotversuche findest du hier und in unserem letzten Update zu den Pilotprojekten.

Wie funktioniert die SCRIPT-Studie?

Sobald der Versuch beginnt, wird die erste Hälfte der rund 1’000 Teilnehmenden in ausgewählten Apotheken der Städte Bern, Biel und Luzern legal Cannabisprodukte einkaufen können. Angeboten werden neben den Blüten auch weitere Produkte wie Hasch, Liquids und Öle – alles neutral verpackt, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Die zweite Hälfte der Studienteilnehmenden darf 6 Monate später auch legal Cannabis einkaufen gehen. Mit dieser randomisierten Aufteilung soll durch den direkten Vergleich eine möglichst hohe Aussagekraft der Studie erreicht werden.

Im Halbjahrestakt werden während den rund 2 Versuchsjahren mit Fragebögen und Interviews Studiendaten erhoben. Im Zentrum steht die Frage, welchen Einfluss ein regulierter Cannabisverkauf auf das Konsumverhalten und die Gesundheit der Menschen hat. Zusätzlich zu den grossen Befragungen wird das Verkaufspersonal ebenfalls dazu angehalten, beim Verkauf von Studiencannabis mit den Kund*innen ins Gespräch zu kommen, um ein noch genaueres Bild der Realität einzufangen.

Teilnahme am Pilotversuch

Die Anmeldung für die SCRIPT-Studie soll für Interessierte mit Wohnsitz im Kanton Bern noch im Frühsommer 2023 geöffnet werden. Die Menschen aus der Stadt Luzern müssen sich noch etwas gedulden, bis sie im Winter 23/24 an einen der rund 300 Studienplätze in ihrer Stadt gelangen können. Wie in allen anderen Pilotversuchen steht die Studie nur Personen offen, die mindestens 18 Jahre alt sind und nachweislich schon länger in ihrem Alltag Cannabis konsumieren.

Wer zur Studie zugelassen wird, erhält einen Studienausweis, der zum Kauf von 10g THC pro Monat berechtigt. Beim ersten Einkauf soll ein ausführliches Beratungsgespräch stattfinden, um den Kund*innen die verschiedenen Produkte detailliert vorzustellen.

Eine Frage, die sich stellt: Was passiert, wenn mich die Polizei anhält und ich habe Studien-Cannabis in meiner Tasche? Auch hier liegt die Antwort zum Teil im Studienausweis. Da die Behörden selbstverständlich nicht wissen, wer an der Studie teilnimmt, müssen sich die Studienteilnehmenden im Falle eines Polizeikontaktes wegen dem Mitführen von Cannabis ausweisen können. Die weiteren Beingungen für einen unbehelligten Gang durch die Stadt: die originale Packung muss ungeöffnet sein, da die Produkte nicht im öffentlichen Raum konsumiert werden dürfen, und die Grenzwerte von max. 10g Cannabisblüten oder Haschisch oder maximal 2g THC bei Liquids und Ölen dürfen nicht überschritten werden. Nicht besonders alltagstauglich – aber die Studie findet halt immer noch in einer Zeit der Repression statt…

Herba di Berna und die Pilotversuche

Auch wenn wir als Herba di Berna – trotz unserem Fachgeschäft – nicht am Pilotversuch teilhaben können, sind wir grundsätzlich über die Studie erfreut. Endlich geht auch in Bern etwas. Die Legalisierungs-Vorbereitung wird wissenschaftlich angegangen. Ein reguliertes Verkaufskonzept legt den Grundstein dafür, dass die Legalisierung nicht ein Sprung vom Scharzmarkt in den Wilden Westen wird. Es geht nicht darum, dass einige wenige Unternehmen möglichst allen Menschen das Geld aus der Tasche ziehen und fette Gewinne einzustreichen dürfen. Stattdessen liegt der Fokus auf einem Verkauf durch geschultes Fachpersonal, das hochwertige Produkte mit klar deklarierten Inhaltsangaben endlich legal zugänglich machen soll, um dem realen Bedürfnis grosser Teile der Bevölkerung gerecht zu werden.
Ob wir dafür wirklich im Vorfeld aufwändig eigene Versuche durchführen müssen, statt uns einfach die Erfahrungswerte anderer Länder zu Herzen zu nehmen, ist fraglich. Doch wir haben zwangsläufig gelernt, uns in Geduld zu üben und an kleinen Schritten zu erfreuen.

Mehr Infos zur SCRIPT-Studie: script-studie.ch

THC-Grenzwert von 1% gilt bald auch für CBD-Cannabisharz

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Dranbleiben lohnt sich. Nach Interventionen der Hanf-Branche hält der Bundesrat fest, dass auch Cannabisharz (Pollinate) mit der 1%-Grenze reguliert wird. Cannabisharz mit weniger als einem Prozent THC-Anteil wird also zu einem verkehrsfähigen Produkt. Die Änderung tritt voraussichtlich im Sommer 2022 in Kraft.

Wie es zur Änderung kam

Die Wadtländer Nationalrätin Léonore Porchet hatte eine Interpellation an den Bundesrat eingereicht, die den Bundesrat darauf hinwies, dass Cannabisharz auch heute noch anders behandelt wird als beispielsweise Blüten, Stecklinge, Öl und Tinkturen. Auf diese Ungleichbehandlung hat die IG Hanf bereits im November 2021 hingewiesen. Dieser unlogische „technische Fehler“ im Betäubungsmittelgesetz stand im Widerspruch zur vom Bundesrat selbst anerkannten Handhabung, nach welcher nur Pflanzen, Pflanzenteile und Präparate, die einen Gesamt-THC-Gehalt von mindestens 1% haben, als Cannabis im betäubungsmittelrechtlichen Sinn gelten.

Was sich ändert

Konkret soll nun das Verzeichnis der Betäubungsmittelverordnung so angepasst werden, dass auch im Falle von Cannabisharz nur Produkte mit mindestens 1% THC als Betäubungsmittel gelten. Dies ist ein weiterer Schritt in Richtung einer kohärenten und einheitlichen Klassifikation von Cannabis-Produkten. Er schafft Klarheit und wird damit den Forderungen der IG Hanf gerecht.
Die Änderung tritt voraussichtlich im Sommer 2022 zusammen mit weiteren Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes (Medizinalcannabis) in Kraft.

Quellen:
– IG Hanf: News aus dem Bundeshaus
Interpellation von Léonore Porchet

Kommt nun die Legalisierung von THC?

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In den letzten Wochen hat sich im Bereich der Cannabis-Legalisierung einiges getan. Eine Legalisierung scheint plötzlich ziemlich viel greifbarer – sowohl in der Schweiz, als auch in Deutschland. Was ist da gerade passiert, und was bedeutet das nun?

In der Schweiz nahm die Cannabis-Politik in der Gesundheitskommission des Ständerates (SGK-S) einen grossen Schritt nach vorne. Nach der Gesundheitskommission des Nationalrates diese die „Parlamentarische Initiative Siegenthaler“ angenommen. Die Initiative verlangt eine Neuregulierung von Anbau, Produktion, Handel und Konsum von THC-haltigem Cannabis. Was die Initiative genauer fordert, kann im letzten Blogbeitrag über die PI Siegenthaler nachgelesen werden.
Auch wenn die Initiative nun eine entscheidende Hürde mit Bravour gemeistert hat (9 Ja- zu 2 Nein-Stimmen), wird THC-haltiges Cannabis nicht von heute auf morgen legal. In einem nächsten Schritt hat die Gesundheitskommission des Nationalrates 2 Jahre Zeit, einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten. Auch der Bundesrat wird wohl noch eine Stellungnahme zur Initiative verabschieden. Ist der Gesetzesentwurf erst einmal ausgearbeitet, muss er noch durchs Parlament. Weiter muss vielleicht, falls gegen die Vorlage ein Referendum ergriffen wird, auch noch das Volk über die Legalisierung abstimmen. Es ist zwar sehr schön, zu sehen, dass sich etwas bewegt. Bis daraus jedoch auch wirklich eine sinnvolle Gesetzgebung entsteht, ist von den Unterstützer*innen einer Legalisierung noch eine Menge Geduld und Engagement gefragt.

In Deutschland verläuft der politische Prozess zwar völlig anders, hat jedoch auf die Arbeit von Verbänden wie dem Deutschen Hanfverband eine ähnliche Bedeutung wie in der Schweiz, da auch dort selbst im besten Fall noch einige Jahre oder zumindest viele Monate vergehen werden, bis etwas konkretes entsteht. Auslöser für die neusten Diskussionen und Medienbeiträge zu einer möglichen Legalisierung von THC waren in Deutschland die Koalitionsverhandlungen. Bei Gesprächen zur Regierungsfindung fand sich mit der Legalisierung anscheinend ein Thema, über welches zwischen den Grünen und der FDP eine weitgehende Einigkeit herrscht. Da auch die SPD nicht grundsätzlich gegen eine Legalisierung sein dürfte, liegt eine Neuregelung plötzlich im Rahmen des Möglichen.
Was diese Entwicklungen nun genauer bedeuten, hat der Deutsche Hanfverband (DHV) in einem Video sehr gut dargelegt. Die Folge 311 der DHV-News behandelt die neuen Möglichkeiten, nimmt den Medienhype zum Thema genauer unter die Lupe und stellt sich der Frage, was denn nun eine mögliche Legalisierung für einen Einfluss auf die Arbeit vom Hanfverband hat. Da sich viele dieser Fragen auch in der Schweiz stellen werden, beispielsweise für Vereine wie „Legalize It!“ oder die „IG Hanf“, lohnt sich ein Blick in den Beitrag.

Es gibt also Grund zum feiern – doch der Weg ist noch weit. Die Legalisierung ist noch lange keine beschlossene Sache, die genauen Details sind noch völlig unklar und auch nach einer Legalisierung gäbe es beispielsweise im Feld des Konsumentenschutzes noch viel zu tun.

Quellen:
Pressemitteilung des „Cannabis-Consensus Schweiz“
– Watson-Artikel: „Parlamentskommissionen wollen Cannabis legalisieren“
DHV-News #311 vom Deutschen Hanfverband

Bevölkerungsbefragung zur Regulierung von Cannabis

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Anfangs Juli 2021 veröffentlichte das BAG an einem Mediengespräch die Resultate einer Bevölkerungsbefragung zum Thema Cannabis. Ziel der von Sotomo durchgeführten Umfrage war es, die Haltung der Stimmbevölkerung zum Zeitpunkt des Startes der Pilotversuche zu kennen. Stösst der eingeschlagene Weg auf Anklang? Wäre eine allfällige Legalisierung von Cannabis mehrheitsfähig? Was für Massnahmen müssten solch eine Legalisierung begleiten? Auf Fragen dieser Art wollte der Bund eine repräsentative Antwort aus der Bevölkerung.

Die Resultate der Bevölkerungsbefragung waren durchaus aufsehenerregend. In den letzten Jahren scheint sich die Haltung der Bevölkerung grundlegend verändert zu haben. So wird der eingeschlagene Weg von einer klaren Mehrheit unterstützt, da eine Neuregelung der Cannabis-Gesetzgebung von einer klaren Mehrheit als wichtig oder sehr wichtig empfunden wird. Auch die Pilotversuche geniessen eine breite Akzeptanz, insbesondere in den Städten und in den Pilotgemeinden.

Am deutlichsten zeigt sich aber der gesellschaftliche Wertewandel an der Frage nach einer allfälligen Legalisierung von Cannabis: die Umfrageergebnisse zeigen, dass eine solche unterdessen mehrheitsfähig geworden ist. Zwei drittel der Befragten waren zum Zeitpunkt der Umfrage klar oder eher für eine Legalisierung. Die Eindämmung des Schwarzmarktes und ein besserer Konsumentenschutz waren die zwei Argumente für eine Legalisierung, die am meisten Anklang fanden. Auf der Gegenseite gründeten die Bedenken in einer befürchteten Verharmlosung der Droge und einer möglichen Schädlichkeit für das jugendliche Gehirn.

Falls eine Legalisierung zum Thema wird, ist auch in den Augen der einem solchen Schritt zugeneigten Befragten eine sinnvolle Regulierung und Prävention nötig. Insbesondere ein gut ausgebauter Jugendschutz ist für eine grosse Mehrheit unumgänglich. Auch umfassende Präventionsmassnahmen und eine Beschränkung des THC-Gehalts wird von mehr als der Hälfte unterstützt. Ganz generell tendierten die Teilnehmenden der Studie in der Regel für eine eher strikte Regulierung. Nur weil eine Legalisierung mehrheitsfähig geworden ist, heisst das noch nicht, dass der Konsum und der Handel von Cannabis zu einer Tätigkeit jenseits aller Gesetze würde.

Bei uns war die Freude gross, als wir von den Resultaten der Studie gehört haben. Hoffentlich finden diese frohen Neuigkeiten den Weg in den Politik. Denn auch wenn sich in letzter Zeit im Bundeshaus einiges in Bewegung gesetzt hat, dürfte die angestrebte Neuregelung der Cannabis-Gesetzgebung durchaus noch ein wenig an Tempo zulegen.

Quelle:
Factsheet zur Bevölkerungsbefragung von Sotomo

Regulatorisches Chaos in der Cannabisindustrie

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Wer in der Schweiz in den Handel und die Produktion von Cannabisprodukten einsteigen will, muss sich zuerst einmal vertieft mit den geltenden gesetzlichen Grundlagen auseinandersetzen. Dies ist eine sehr aufwändige Übung, da einem eine grosse und unübersichtliche Sammlung von Gesetzen vorliegt, die in verschiedenen Fällen verschiedene Aspekte der wirtschaftlichen Tätigkeit beeinflussen und regulieren.

Wenn über die gesetzliche Regulierung gesprochen wird, denken die meisten Menschen in erster Linie an die 1%-THC-Regel. Das es daneben eine ganze Menge anderer Regulierungen gibt, welche die legale Cannabisindustrie beachten muss, geht dabei vergessen. So gelten gewisse Regeln für Tabakersatzprodukte, andere Regeln für Heilmittel und nochmals andere beziehen sich auf Kosmetika. Weiter können Cannabisprodukte auch als Landwirtschaftliche Produkte, Betäubungsmittel, Gebrauchsgegenstände, Lebensmittel oder Chemikalien eingestuft werden, wobei auch hier für jede Einstufung ein anderer Regelkatalog wirksam wird.

Diese fragmentierte Gesetzgebung wird insbesondere dann zum Problem, wenn unklar ist, welcher Kategorie ein Produkt zugerechnet werden sollte. So gelten beispielsweise CBD-Öle grundsätzlich als Chemikalien, welche für den legalen Verkauf mit einer ganzen Reihe von Warnhinweisen ausgestattet werden müssen. Dies wohlwissentlich, dass diese Öle in der Regel konsumiert werden. Alternativ könnten diese Öle auch als Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden – aber nur dann, wenn diese durch die EU als „Novel Food“ zugelassen werden. Diese Zulassungsanträge sind jedoch seit langem hängig, und deren Bearbeitung wurde zwischenzeitlich auch sistiert. Erst mit dem Urteil des EuGH vom 19. November 2020, wonach CBD kein Suchstoff sei, wurden die eingereichten Anträge weiter bearbeitet. Da dieser Vorgang von der Antragstellung bis zur Zulassung in der Regel mindestens 15 Monate dauert, muss wohl noch länger auf diese Zulassung (oder nicht-Zulassung) gewartet werden.

Führt man sich diese Zustände vor Augen, liegt es aus unserer Sicht nahe, dass die Gesetzgebung angepasst werden muss. Eine solche Anpassung könnte dann auch gleich die aktuellen Entwicklungen im Bezug auf den gesellschaftlichen Status der Hanfpflanze, die medizinischen Erkenntnisse und die von anderen Staaten gemachten Erfahrungen berücksichtigen. Daher sind wir als Unternehmen aus der Cannabisindustrie sehr froh, dass sich im Moment einiges in Bewegung setzt. Neben dem vermehrten auftreten einer gesellschaftlichen Diskussion gibt es auch einige politische Vorstösse: die Parlamentarische Initiative von Heinz Siegenthaler, das „Postulat Minder„, die Pilotversuche mit Cannabis und die Änderungen im Cannabisarzneimittelgesetz.

Quellen:
– Aktuelle rechtliche Situation in der Schweiz: Lino Cereghetti an der Mitgliederversammlung der IG Hanf
– EU-Zulassung von CBD-Produkten als „Novel Food“: ernährungs-umschau.de

Postulat Minder für mehr Rechtssicherheit

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Nach einem Treffen mit der IG Hanf reichte der Ständerat Thomas Minder (parteilos, SVP-Fraktion) im März ein Postulat ein, welches ein Bericht des Bundesrates forderte, in welchem dargelegt werden soll, wie verschiedene Aspekte der Hanfplanze wirtschaftlich genutzt werden können. Auf Grund dieser Erkenntisse soll dargelegt werden, wie diese im Rahmen einer zeitgemässen Regulierung genutzt werden können. Dabei sollen auch Erfahrungen aus anderen Staaten mit einbezogen werden. Dieser durchaus erfreuliche Denkanstoss erhielt nun im Mai vom Bundesrat eine Abfuhr.

Der Bundesrat empfiehlt das Postulat Minder zur Ablehnung, da die Gesetzgebung bereits im Wandel sei, so zum Beispiel im Bereich der Pilotprojekte zum legalen Verkauf von Cannabis und im Bereich der Cannabis-Arzneimittel. Dadurch sei der Aspekt der zeitgemässen Regulierung bereits genügend behandelt worden und auch die Auswertung der Erfahrungen anderer Staaten sei in diesem Rahmen bereits erfolgt. Weiter seien die wirtschaftlichen Möglichkeiten durch die 1-%-Regel bereits relativ gross, solange es sich nicht um Betäubungsmittel handle. Mit dem Verweis auf die 1-%-Regel versteckt sich der Bundesrat hinter einer Reihe von Spezialgesetzen, welche aus Sicht eines CBD-Unternehmens alles andere als befriedigend sind, da die Bedürfnisse der Kund*innen nur schlecht abgedeckt werden können. Beispielsweise müssen CBD-Öle als Chemikalien inklusive aller damit verknüpften Warnhinweise verkauft werden. Dies geschieht aber im Wissen, dass diese Öle in aller Regel eingenommen werden.

Aus unserer Perspektive sind die aktuellen Spezialgesetzgebung also völlig ungenügend. Daher hoffen wir darauf, dass der Ständerat das Postulat von Ständerat Minder annimmt, und so den gesellschaftlichen Diskurs zum Thema weiter anregt. Gerade die von Herrn Minder angesprochene ökonomische Perspektive eines regulierten Cannabis-Marktes bietet viel Potenzial, wie Erfahrungen aus den USA und Kanada aufzeigen.

Update: Am 17. Juni wurde das Postulat Minder im Ständerat trotz der ablehnenden Haltung des Bundesrates mit einer deutlichen Mehrheit (30:6) angenommen. Wir sind gespannt, was in der Sache weiter passiert und halten euch auf dem laufenden.

Links:
Blogpost der IG Hanf
Postulat Minder zur „Rechtssicherheit bei Produktion, Handel und Gebrauch von Hanf/Cannabis-Produkten“

Gesetzesänderung im Bezug auf Cannabis-Arzneimittel

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Nachdem der Ständerat Anfangs März eine Vorlage zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) in Bezug auf Cannabis-Arzneimittel einstimmig angenommen hat, gelangte die Vorlage relativ unbestritten durch den Nationalrat. Diese Gesetzesänderung soll den Zugang zu Cannabis-Arzneimitteln endlich erleichtern.

Bisher mussten Ärzt:innen eine Sonderbewilligung beim BAG einholen, um ihren Patient:innen medizinische Cannabisprodukte zu verschreiben. Dieser bürokratische Zwischenschritt war sowohl für die Arztpraxen als auch fürs BAG unverhältnissmässig aufwendig, hatte das BAG doch allein im Jahr 2019 beinahe 3000 „Ausnahme“-Gesuche zu bearbeiten. Da viele Ärzt:innen diesen Aufwand verständlicherweise scheuen, hat die bisherige Regelung einen verzögernden oder sogar verunmöglichenden Einfluss auf den Zugang zu nützlichen Cannabis-Arzneimitteln.

Mit der Revision soll dieser Zugang nun stark erleichtert werden. Cannabis-Arzneimittel dürfen nun ohne Ausnahmebewilligung verschrieben werden, was die Therapiefreiheit endlich gewährleistet. Medizinische Cannabisprodukte unterstehen nun der Kontrolle von Swissmedic, wie es für Medizinalprodukte normalerweise der Fall ist.

Für nicht-medizinischen Cannabis hat sich mit der Annahme dieser Vorlage nichts geändert. Neben dem symbolischen Wert, der von jedem dringend notwendigen Schritt hin zu einer kohärenteren Gesetzgebung ausgeht, bietet die Regelung aber trotzdem neue Möglichkeiten für ein Unternehmen das Hanfprodukte produziert und vertreibt: der kommerzielle Export von medizinischen Cannabisprodukten soll nun erlaubt werden, und parallel soll auch das Saat- und Pflanzgut-Recht angepasst werden, um den Anbau von Medizinal-Hanf in grösserem Stil überhaupt erst zu ermöglichen.

Als Unternehmen aus der Cannabis-Branche (und Mitglied der IG-Hanf) freuen wir uns, dass sich die rechtliche und politische Situation nun auch in der Schweiz positiv entwickelt, hat sich doch die EU in den letzten Monaten mit teilweise ungewohnt grossen Schritten vorwärts bewegt.

Links:
Blogpost IG Hanf
Bundesamt für Gesundheit

Bundesrat bewilligt Cannabis-Pilotprojekte

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Am 31. März 2021 wurde klar, dass ab Mitte Mai vom BAG Pilotversuche zur Abgabe von Cannabis bewilligt werden können. Nach National- und Ständerat bewilligte auch der Bundesrat diese Änderung des Betäubungsmittel-Gesetzes, welche neue Erkenntnisse bezüglich Gesundheit und Konsumgewohnheiten im Rahmen legaler Angebote liefern soll.

Die Stossrichtung dieser Änderung geht ganz klar in die richtige Richtung. Es wird Zeit, dass auch die Schweiz Erfahrungen mit einem legalen Verkauf von Cannabis sammelt – wobei wir aber nicht vergessen sollten, auch von Erfahrung aus dem Ausland, zum Beispiel Kanada, zu profitieren. Wir müssen nicht sämtliche Versuche wieder von Vorne starten.

Die Teilnehmenden der Pilotversuche müssen volljährig sein und nachweislich bereits Cannabis konsumieren. Die bezogene Menge wird von den Konsument*innen bezahlt, wobei der Preis mit höherem THC-Gehalt höher ausfällt und mindestens zu Beginn noch deutlich über dem Schwarzmarktpreis liegen soll. Ein Weiterverkauf der legal gekauften Ware wird so bewusst unattraktiv gemacht. Des weiteren ist die monatliche Bezugsmenge begrenzt und eine Weitergabe der legal erworbenen Cannabis-Produkte ist nicht gestattet.

Der Anbau der Produkte für die Pilotprojekte soll nach den Kriterien der Bio-Landwirtschaft erfolgen, um so eine einwandfreie Qualität der Produkte sicherzustellen. Auch wenn uns die Idee hinter diesem Anliegen sehr wohl entspricht, müssen sie im Bundeshaus bei diesem Punkt nochmals über die Bücher. Eine Indoor-Produktionsstätte hat nach heutigen Bio-Richtlinien gar nicht die Möglichkeit, biologische Produkte anzubauen, da der Einsatz von Kunstlicht zwingend notwendig ist.

Weiter sollen auch die persönlichen Daten der Teilnehmenden gut geschützt werden. Grundsätzlich werden keine Daten an Dritte weitergegeben und auch anonymisierte Daten werden nur zur Auswertung der Projekte durch die beteiligten Forschungsinstanzen und das BAG verwendet. Dies ist insofern sehr wichtig, als das eine mögliche Stigmatisierung der Teilnehmenden (beispielsweise durch die zwischenzeitlich vorgeschlagene und später abgelehnte Meldepflicht an Schulen und Arbeitgeber) den Nutzen und Erfolg der Versuche unnötig gefährden würde. Die oben genannten Teilnahmebedingungen sind aus unserer Sicht ausreichend, um mögliche negative Auswirkungen des Projektes (Gesundheitliche Schäden oder Stärkung des Schwarzmarktes) zu verhindern.

Wir sind gespannt auf weitere Entscheidungen aus Bundesbern, welche funktionierende Alternativen zur aktuellen Verbotspolitik voranbringen können, und werden euch selbstverständlich auf dem Laufenden halten.

Links:
– FAQ zu den Pilotprojekten (Bundesamt für Gesundheit BAG)
Watson-Artikel vom 31.03.2021
Beitrag der IG Hanf

Legaler Anbau und vereinfachte Abgabe von Cannabisarzneimittel

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National- und Ständerat haben in der Schlussabstimmung der Frühjahrssession 2021 dem Geschäft 20.060 einer Änderung im Betäubungsmittelgesetz zugestimmt. Diese sieht vor, dass der Anbau und die ärztliche Verschreibung von Medizinalhanf zukünftig ohne eine Ausnahmebewilligung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) verschrieben werden dürfen. Nun läuft die Referendumsfrist. Als weiteres muss nun vom Bundesrat die Verordnung angepasst und der Zeitpunkt des Inkrafttrettens festgelegt werden.

Dieser Schritt geschieht nicht von heute auf morgen, jedoch ist der Weg dahin bereitet und absehbar. Nun folgen in den kommenden Jahren Diskussionen über die Abdeckung von Cannabisarzneimittel durch die Krankenkassen – denn solange diese nicht abgedeckt sind, können sich die Heilmittel wohl nur wenige Menschen leisten.

Links:
Betäubungsmittelgesetz. Änderung (Cannabisarzneimittel) (parlament.ch)
Medizinalhanf (hanflegal.ch)